Ein Titelaspirant verabschiedet sich aus der ZTE HLA MEISTERLIGA
Mittwochabend gab die SG INSIGNIS Handball WESTWIEN bekannt, unabhängig vom Abschneiden in dieser Saison, für 2023/24 nicht für die oberste Spielklasse zu nennen und den Profibetrieb aus wirtschaftlichen Gründen einzustellen.
99/00 erstmals in der heutigen ZTE HLA MEISTERLIGA vertreten, stand die SG INSIGNIS Handball WESTWIEN zum ersten und bislang einzigen Mal 2004 im Finale um die österreichische Meisterschaft, musste sich da Bregenz Handball geschlagen geben. 2008 folgte der Abstieg in die Bundesliga, die heutige ZTE HLA CHALLENGE. Doch dem Verein gelang umgehend der Wiederaufstieg. Seit der Saison 2009/2010 ist man durchgehend in der höchsten heimischen Spielklasse vertreten.
2011 übernahm Conny Wilczynski bei seiner Rückkehr zu seinem Stammverein das Ruder und leitete fortan die Geschicke des Vereins. Der Fokus wurde seither verstärkt auf die Nachwuchsarbeit gelegt. WESTWIEN entwickelte sich zu einer wahren Talenteschmiede.
In der laufenden Saison hat man sich zu einem wahren Titelaspiranten entwickelt und das mit ausnahmslos einheimischen Spielern und dem jüngsten Kader der ZTE HLA MEISTERLIGA.
Die ZTE HANDBALL LIGEN AUSTRIA bedauern die Notwendigkeit des Vereins sehr, aus wirtschaftlichen Gründen sich aus dem Profibetrieb zurückzuziehen. Gleichzeitig betont der Verein, dass die Nachwuchsabteilung fortgeführt wird und es Pläne gibt, die Nennung eines Teams als Union West Wien für die ZTE HLA CHALLENGE anzustreben bzw. dieses aufzubauen.
Christoph Edelmüller, Geschäftsführer ZTE HANDBALL LIGEN AUSTRIA: „Der Rückzug der SG INSIGNIS Handball WESTWIEN aus der ZTE HLA MEISTERLIGA mit Ende der aktuellen Saison 2022/23 ist naturgemäß keine gute Nachricht. Wir verlieren damit nicht nur ein Gründungsmitglied der HLA und einen absoluten Traditionsverein aus der obersten Spielklasse, sondern auch eine Mannschaft, die sich in dieser Saison mit extrem viel Spielfreude und Klasse zu einem absoluten Mitfavoriten auf den Meistertitel entwickelt hat. Zudem steht WESTWIEN seit vielen Jahren für eine ausgesprochen gute Nachwuchsarbeit und hat für den gesamten österreichischen Handball extrem viel geleistet. Nun gilt es, die Kräfte zu bündeln und den Erhalt des Vereins abseits der obersten Spielklasse zu gewährleisten, um die tolle Nachwuchsarbeit zu erhalten und den Kindern und Jugendlichen bei WESTWIEN eine Perspektive zu geben und sie vielleicht schon bald wieder in der ZTE HLA CHALLENGE, der zweithöchsten Spielklasse, oder gar der ZTE HLA MEISTERLIGA begrüßen zu dürfen.“
Auswirkungen auf den Spielbetrieb
In Absprache mit dem ÖHB wird es zeitnah eine Entscheidung darüber geben, wie in Bezug auf Auf-/Abstieg in dieser außergewöhnlichen Situation verfahren wird.
„Der Rückzug von WESTWIEN aus der obersten Spielklasse hat naturgemäß auch Auswirkungen auf andere Vereine, insbesondere jene, die in der MEISTERLIGA gegen den Abstieg oder in der CHALLENGE für den Aufstieg kämpfen. Die Entscheidung hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise liegt diesbezüglich bei den zuständigen Gremien des Österreichischen Handballbundes (ÖHB), der über das weitere Prozedere gesondert informieren wird. Naturgemäß ist es im Interesse aller, dass zeitnahe Klarheit hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise und der möglichen Auswirkungen auf andere Vereine herrscht", erklärt Christoph Edelmüller.
Krisen nach wie vor spürbar
Der gesamte Sport wurde durch die Corona-Krise und die darauf folgende Energie-Krise, ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, finanziell teils schwer getroffen. Im gesamten österreichischen Handball hat man in diesen herausfordernden Jahren stets mit Weitblick und Verantwortung gehandelt, kann aber mögliche finanzielle Engpässe trotz aller Bemühungen nie zu 100 Prozent ausschließen, Christoph Edelmüller: „Uns war immer allen klar, dass die Corona-Situation die Finanzierung des Sports nicht nur kurz- sondern gerade auch mittelfristig treffen wird. Diese Befürchtung wurde durch die Energie-Krise nochmals befeuert. Umso mehr gilt unser Dank all jenen, die den Sport in Österreich unterstützen und in schwierigen Zeiten Partner des Sports sind."
Das Statement von WESTWIEN im Wortlaut:
Liebe Partner, Wegbegleiter, Fans & Freunde von WESTWIEN!
Mit diesem Schreiben müssen wir Sie über die Änderungen bzw. Neuausrichtungen bei Westwien informieren.
Der Verein hat in den letzten Jahren beachtliche Erfolge und Entwicklungen erzielen können.
Das Herzstück war immer die Nachwuchsarbeit. Neben vielen Titeln im Jugendbereich konnten etliche Spieler nicht nur an den Männerhandball herangeführt, sondern auch als Stützen sowohl im Verein als auch in diversen Nationalteams aufgebaut werden. Leistungsträger wie Seppo Frimmel, der über die Westwien-Schule mittlerweile bei Pick Szeged in der Champions-League spielt und zu den weltbesten Links Außen zählt, aber auch Spieler wie Katic, Kofler und viele mehr, die ab der nächsten Saison auf der internationalen Bühne zu sehen sein werden, sind perfekte Beispiele für den Westwiener Weg der letzten Jahre.
Der aktuelle Blick auf die Mannschaft zeigt die Früchte der Arbeit der letzten Jahre. Die jüngste Mannschaft der ZTE HLA (Altersschnitt 21 Jahre) belegt derzeit den zweiten Tabellenplatz und ist für das ÖHB Cup Final4 qualifiziert. Das Future Team mit etlichen Nachwuchshoffnungen ist bis auf eine einzige Niederlage erfolgreich an der Tabellenspitze und in dieser Saison haben nicht weniger als acht Spieler bereits eine Nominierung für das Herren-Nationalteam erhalten. Das sind beachtliche Erfolge, auf die wir sehr stolz sind.
Basis dafür war eine klare Philosophie, die über Jahre entwickelt und konsequent verfolgt wurde und die dank viel Begeisterung und Leidenschaft der Trainer und Personen, die in den letzten Jahren - größtenteils ehrenamtlich - für den Verein tätig waren, umgesetzt wurde. Ihnen allen gebührt großer Respekt und Dank!
Somit konnte nicht nur der Verein, sondern der gesamte Österreichische Handball von der Westwiener Talenteschmiede profitieren.
Wirtschaftlich gesehen war Westwien im Vergleich zu vielen Sportvereinen Österreichs gezwungen, andere Wege zu gehen. Es ist dem Verein aber über viele Jahre gelungen, den gesamten Vereinsbetrieb über diverse Finanzierungen aus der Privatwirtschaft, entsprechende Vermarktungen, aber auch unternehmerische Projekte zu stemmen. Ein großer Dank gebührt unseren vielen Partnern, die uns jahrelang die Treue gehalten und unseren Weg unterstützt haben. Hervorzuheben ist vor allem Ing. Ferdinand Hager von Hauptsponsor SET, der über zwei Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Herzblut in den Verein investiert hat. Genau solche Personen braucht der Sport und etliche Spieler haben von seiner großartigen Unterstützung maßgeblich profitieren können.
Die Infrastruktur war leider über viele Jahre die „Achillesferse“ des Vereins. So mussten die Trainings und Spiele auf acht verschiedene Hallen verteilt werden, was nur aufgrund einer guten Planung und Koordination, aber auch eines guten Miteinanders möglich war. Unter diesem Aspekt sind die Erfolge und Entwicklungen nicht hoch genug einzustufen. Lösungsorientiert wurden seit gut einem Jahrzehnt mehrfach Hallenkonzepte eingebracht, bei denen der Verein das gesamte Know-how und Netzwerk einfließen ließ und in weiterer Folge auch zur Verfügung stellen wollte. Über 20 Grundstücke und Projekte wurden in Wien geprüft. Für die Realisierung hat schlussendlich leider das politische Willensbild gefehlt.
Aufgrund einer fehlenden Heimstätte in Wien wurden die Spiele im BSFZ Südstadt in Niederösterreich ausgetragen, das den Verein dankenswerterweise „aufgenommen“ hat und somit ein guter Boden für viele tolle Spiele und Erfolge war.
Wie so oft hat die Medaille im Sport aber zwei Seiten.
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen (Corona-Nachwirkungen, Teuerungen, Sponsorenkündigungen, etc.) hat der Verein bereits im Juni 2021 Gespräche mit der Stadt Wien aufgenommen und mehrfach darauf hingewiesen, dass unter diesen Umständen Spitzenhandball in Wien für Westwien nicht mehr möglich sein wird. Eine fehlende Trainings- und Spielstätte, einhergehend mit geringen finanziellen Unterstützungen, dazu die allgemeinen Herausforderungen und das überholte „Finanzsystem“ im nationalen und internationalen Handball erleichtern naturgemäß nicht die Situation.
Trotz aller Bemühungen und auch Unterstützungen muss der Verein zur Kenntnis nehmen, dass Westwien in den letzten Jahren keinen Platz in Wien finden konnte - weder geographisch noch wirtschaftlich.
Daher musste die Entscheidung getroffen werden, dass der Spielbetrieb ab der folgenden Saison 2023/24 in der höchsten Österreichischen Spielklasse eingestellt werden muss und dementsprechend nicht mehr fortgeführt werden kann. Wir bedauern diese Entscheidung, haben aber alles in unserer Macht stehende versucht, eine Perspektive zu erarbeiten. Leider erfolglos.
Die Verantwortlichen des Vereins werden für alle Spieler der 1. Mannschaft passende Lösungen finden und sie weiterhin bestmöglich unterstützen. Das ist dem Verein ein großes Anliegen, weil alle Spieler eine tolle Zukunft vor sich haben. Die erfolgreiche Nachwuchsarbeit wird selbstverständlich weitergeführt. Der Fokus in den Folgejahren wird auf der Weiterentwicklung der Nachwuchsabteilung - der Union West Wien Handball - liegen. Hier ist man sehr bemüht, gemeinsam mit der Stadt Wien die Rahmenbedingungen zu verbessern und etwas Neues entstehen zu lassen. Klares Ziel ist es, die Trainingsbedingungen in Wien für den Nachwuchs zu optimieren und eine Zweitliga-Mannschaft zu stellen bzw. aufzubauen, damit die zahlreichen Talente auch eine sportliche Perspektive haben.
Das Detailkonzept wird gesondert in den nächsten Wochen vorgestellt und präsentiert.
Wir bedanken uns von Herzen bei all jenen, die die SG INSIGNIS Handball WESTWIEN begleitet und unterstützt haben und würden uns sehr freuen, sie weiterhin bei einem Neuprojekt der Union West Wien Handball an Bord zu haben. Für die verbleibende Saison haben wir aber noch sehr viel vor. Wir wollen uns unbedingt mit einem Titel verabschieden. Das haben sich alle Spieler, Trainer, Mitarbeiter, Helfer, Partner und Fans jedenfalls verdient und soll der krönende Lohn für ihre Arbeit sein.
Abschließen möchte ich mit einem persönlichen Statement:
Westwien hat mein ganzes Leben begleitet und mich geprägt. Schon als Jugendspieler habe ich die Arbeit und den besonderen Spirit erleben bzw. erfahren dürfen. Es hat mir viel Spaß gemacht und mich mit großem Stolz erfüllt, nach meiner Spielerkarriere den Verein über viele Jahre führen zu dürfen. Neben vielen Erfahrungen und vor allem tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte, bin ich sehr froh, dass wir etliche Spieler begleiten und entwickeln konnten, die noch eine große Handball-Zukunft vor sich haben und uns noch viel Freude im österreichischen und internationalen Handball bereiten werden.
Solche Entscheidungen zu treffen ist alles andere als einfach. Wir können aber leider die Realitäten nicht ändern und versichern, dass wir alles erdenklich Mögliche versucht haben, um eine Fortführung in der höchsten österreichischen Spielklasse sicherzustellen. Dies ist uns leider nicht gelungen.
Für die Zukunft wünsche ich mir und vor allem allen Handballern, dass eine neue West Wien-Pflanze wachsen und entstehen wird, die dann hoffentlich auch einen Platz in der lebenswertesten Stadt der Welt findet.
Ich hoffe, euch alle in dieser Saison noch oft in der Halle begrüßen zu können. Unterstützen wir die Mannschaft gemeinsam, einen perfekten und vor allem wohlverdienten sportlichen Abschluss zu erzielen...
Sportliche Grüße,
Conny Wilczynski
Geschäftsführer SG INSIGNIS Handball WESTWIEN